11.07.2016

Nullzins-Politik fördert Europa-Verdrossenheit

Arbeitnehmer müssen Draghis einsamen Beschlüsse ausbaden
Berlin / Dingolfing. „Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat zu einer zunehmenden Verunsicherung der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. Sparerinnen und Sparer geführt.“ Das betont der Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands (CGB), Matthäus Strebl. Es vergehe keine Veranstaltung, in der er nicht darauf angesprochen werde, dass EZB-Präsident Draghi einerseits den „kleinen Leuten“ das Ersparte massiv kürze, andererseits aber Monat für Monat Zig Milliarden Euro mit der Gießkanne über Euro-Staaten ausgieße, ohne dass dies die gewünschten arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen habe.

Vor dem Hintergrund jetzt drohender Strafzinsen für Banken und Sparkassen für Gelder, die sie bei ihren Spitzeninstituten lagerten, hat Strebl den nachfolgenden Offenen Brief an den EZB-Präsidenten gerichtet:

Sehr geehrter Herr Präsident,

es ist nachvollziehbar, dass Sie als Präsident der Europäischen Zentralbank – EZB – hoch über Frankfurt/M. mit den Sorgen und Nöten von Arbeitnehmern oder Rentnern nur marginal oder gar nicht befasst sind. Offensichtlich auch deshalb nehmen Sie in Ihrer Geldmarkt- und Zinspolitik keine Rücksicht auf die Belange dieser Bevölkerungskreise.

Wenn beispielsweise allein die deutschen Sparer seit Beginn der Finanzmarktkrise durch die Niedrigzinspolitik der EZB rund 200 Milliarden Euro verloren haben, dann hat das für den Einzelnen bisweilen existenzgefährdende Konsequenzen. Sie entspricht aber lediglich der dreifachen Summe der Mittel, die die EZB monatlich zur Ankurbelung von Investitionen in den EU-Ländern in den Geldkreislauf pumpt.

Mit den Folgen Ihrer Niedrig- inzwischen: Null-Zinspolitik wird nicht die EZB konfrontiert, sondern Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Rentnerinnen und Rentnern haben sie auszubaden, weil beispielsweise Lebensversicherern die Möglichkeiten ertragreicher Geldanlagen genommen wurden. Damit ist die Altersarmut vieler Menschen vorprogrammiert.

Ihre Rechnung, die Zinspolitik der EZB würde in hohem Maß Investitionen auslösen, ist so nicht aufgegangen. Stattdessen haben Sparer reale Verluste hinzunehmen. Gleichzeitig jedoch darf die griechische Regierung sich freuen, weil die EZB inzwischen (fast wertlose) griechische Staatspapiere für viel Geld aufkauft.

Fragwürdig ist auch das Vorgehen, EZB- und damit Steuerzahlermittel gewissermaßen mit der Gießkanne auszustreuen. Gezielte Hilfen wären sicherlich wirksamer, nicht so kostenintensiv und vor allem weniger missbrauchsanfällig.

Wenn die EZB-Beschlüsse nun auch noch dazu führen, dass Banken und Sparkassen künftig Strafzinsen für Geld zahlen müssen, das sie bei ihren Spitzeninstituten lagern, dann halte ich das für pervers. Die EZB stellt das gesamte Geldmarktwesen von den Füßen auf den Kopf, ohne in irgendeiner Weise dazu demokratisch legitimiert zu sein.

Die EU sollte, darauf wurde in den vergangenen Jahren oft hingewiesen, keine „Transferunion“ werden. Mit Ihrer Politik tragen Sie jedoch maßgeblich dazu bei, dass Grundwerte der einstigen EU heute keine Bedeutung mehr haben. Letztlich – und das sollte Ihnen zu denken geben – fördert die EZB die viel genannte Europa-Verdrossenheit. Wohin dies führen kann, haben die Briten mit ihrem Brexit-Votum demonstriert.

Dieser Brief wird natürlich nicht zu einer Änderung Ihrer Finanzmarktpolitik führen. Wenn er Grund bietet, über die angesprochenen Fragen nachzudenken, hätte er seinen Zweck bereits erfüllt.

Mit freundlichen Grüßen

Matthäus Strebl, MdB